» Ich glaube einer Werbebotschaft nur dann, wenn bei aller Vernunft auch meine unbewussten emotionalen Bedürfnisse angesprochen und befriedigt werden. Hier die richtige Balance zu finden, ist die große Herausforderung der Werber. « Schockmomente sind nicht immer ein effektives Werbemittel Bildnachweis: Bildnachweis: https://www.heidelberg24.de/region/rhein-neckar-kreis-kampagnerunter-vom-gas-plakate-an-a5-sollen-ablenkung-am-steuer-zeigen-10120317.html 19 18 INTERVIEW MIT JENS LÖNNEKER Humor ist ein beliebtes Stilmittel in der Werbung. Warum ist das so und wann funktionieren Ironie und Witz besonders gut? Lönneker: Wenn wir Konsumenten fragen, wünschen sich alle immer mehr lustige Werbung. Aber der Humor muss auch zur Botschaft passen. Gut funktioniert Humor bei neuralgischen oder Tabuthemen. Übertreibung und Überspitzung schaffen beim Betrachter Distanz und damit Offenheit, sich auch mit vermeintlich unangenehmen Themen auseinanderzusetzen. So funktionieren auch Cartoons und Karikaturen. Bestes Beispiel in der Werbung ist der unvergessliche Kult-Kondomspot aus den 90er-Jahren, in dem Hella von Sinnen als Supermarkt-Kassiererin quer durch den Laden „Tina, wat kosten die Kondome?“ brüllt und den jungen, verschämten Kondomkäufer Ingolf Lück zu Tode blamiert. Jeder war emotional sofort beim armen Ingolf. Da aber die Wahrscheinlichkeit, im wirklichen Leben auf eine Hella von Sinnen im Supermarkt zu treffen, gegen null ging, gelang es damals den Kampagnenmachern, mit dieser Überspitzung den Kauf von Kondomen rational und emotional zu normalisieren: Kondome gibt es in jedem Supermarkt und sie dort zu kaufen, muss niemandem peinlich sein. Botschaft angekommen. Wann funktioniert Humor gar nicht? Lönneker: Humor funktioniert niemals auf Kosten der Schwächeren – auf die der Stärkeren hingegen schon. So können Sie beispielsweise bei vergleichender Werbung durchaus einen stärkeren und größeren Wettbewerber humorvoll angehen, nicht aber einen schwächeren. IM FOKUS Auch die SPIEL SICHER-Kampagne der MERKUR SPIELBANKEN setzt auf Humor. Wie gefällt Ihnen die Kampagne? Lönneker: Problematisches Spielverhalten ist ein neuralgisches Thema und daher passt, wie anfangs bereits erläutert, Humor hier sehr gut. Die Erläuterung und Einordnung der Motive kann ich nur unterstützen und sie sind sicherlich von jeder und jedem nachvollziehbar. Ich kann mir auch vorstellen, dass es mit dieser Kampagne gelungen ist, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass die MERKUR SPIELBANKEN das Thema des problematischen Spielverhaltens wirklich ernst nehmen. Spannend finde ich, dass bei den humorvollen Motiven sehr geschickt eine Mahnung mitschwingt, ohne dass sie mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt. Das hat mich an ein sehr kluges Ritual der alten Römer erinnert: Immer, wenn ein ruhm- und siegreicher Feldherr im Triumphzug nach Rom einmarschierte, ging vorneweg ein Söldner mit einem Schild, auf dem stand: „Bedenke, du bist nur ein Mensch“ – so sollte dem Feldherrn der Triumph nicht zu Kopf steigen. Ähnlich haben auch die SPIEL SICHER-Kampagnenmotive ihren „Bedenke“-Aspekt: Auch wenn du meinst, du bist gerade auf dem Höhenflug und das Glück wird es schon richten, bedenke, du kannst dein Glück nicht lenken, also höre im richtigen Moment auf. Entscheidend ist: Wer sich hier angesprochen fühlt, wird in seiner Situation nicht alleine gelassen und direkt auf das Hilfsangebot des Spielerschutzes gelenkt. Das ist gut gelöst. Manche Präventionskampagnen setzen auf Schock und Abschreckung. Man denke zum Beispiel an Zigarettenwerbung oder die Todesanzeigen an Autobahnen. Erzielen diese Kampagnen den erwünschten Effekt? Lönneker: Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, die die Wirkung von Schockmotiven anzweifeln. Unter anderem hat sich Udo Undeutsch, Professor für Psychologie, zu seinen Lebzeiten intensiv mit dem Thema Verkehrssicherheit beschäftigt. Er hat die Wirkung der gefälschten Todesanzeigen entlang der Autobahnen damals untersucht. Das erschreckende Fazit: Die Motive hatten zwar beim Vorbeifahren einen kurzfristigen Effekt, aber danach gaben die Autofahrer umso mehr Gas. Sind wir Menschen also unbelehrbar und wollen am Ende einfach machen, was wir wollen? Lönneker: Sagen wir mal so: Stellen Sie sich vor, das Leben wäre total sicher, es könnte Ihnen nichts passieren. Für alles gäbe es eine Regel, und alle hielten sich dran. Wäre das nicht unendlich langweilig? Menschen brauchen Herausforderungen. Jedes Austesten bringt ein Stück Freiheit, mit jedem Ausbrechen entsteht etwas Neues. Natürlich ist das immer auch mit Risiko verbunden. Das Glück beim Glücksspiel herauszufordern und ins Risiko zu gehen, ist also zutiefst menschlich. Hier einerseits die Freiräume zu lassen und andererseits den Menschen vor Übermut und Selbstüberschätzung zu bewahren, das ist die Verantwortung der Spielbanken. Spielerschutz ernst zu nehmen und für ihn zu werben, ist daher eine gute Sache.
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