Spielerschutz Tätigkeitsbericht 2025

Experten-Interview 24 Experten-Interview 25 Aber geht es beim Glücksspiel immer nur um Spannung und Spaß? Junge: Nein. Die Menschen nutzen das Glücksspiel seit Jahrtausenden u. a. auch, um tägliche Anforderungen konfliktfreier zu lösen. Erste Fundstücke, die das faktisch belegen, sind 5.000 Jahre alte Würfel oder Ansammlungen von Knochenhaufen unterschiedlicher Dicke und Länge. Hiermit ließen die Menschen das Glück über ganz einfache Fragen des Zusammenlebens entscheiden: Wer übernimmt welche Aufgaben oder wer bekommt das beste Stück Fleisch? Natürlich ging es auch bei den Urvölkern um Spaß und Zeitvertreib. Eine Tatsache, die im Laufe der Zeit auch Kritiker des Glücksspiels auf den Plan rief. Schon im Mittelalter hat man immer wieder versucht, das Glücksspiel zu verbieten oder einzuschränken. Vor allem der Kirche war das Spiel ums Glück als Werk des Teufels ein Dorn im Auge – bestimmt doch Gott ganz allein über unser Schicksal. Aber diese und andere Verbote stießen damals wie heute schnell an ihre Grenzen. Denn der Mensch beobachtet jeden Tag, dass in der Natur permanent etwas Unvorhergesehenes oder Zufälliges passiert. Er hat gelernt, mit diesem Zufall umzugehen, ihn als festen Bestandteil seines Lebens wahrzunehmen, Spaß damit zu haben und Herausforderungen so leichter zu begegnen. Das Glücksspiel als Lebenshilfe oder gar Krisenbewältigung? Junge: Ja, das könnte man so sagen. Es mag Sie überraschen, aber nehmen Sie das Beispiel ‚Mensch ärgere Dich nicht‘. Ein britischer Kolonialherr brachte das indische Würfel-Brettspiel Pachisi, die Mutter des deutschen Spielklassikers, unter dem Namen Ludo auf den englischen Spielemarkt. Das Leben als ewiges Leiden, man wird gemeuchelt, bei einer gewürfelten Sechs wiedergeboren und mit ein wenig Glück erreicht man am Ende den Eintritt ins schmerzfreie Nirwana – so die ursprüngliche religiös geprägte Spielidee aus Indien. Eine wunderbar heilsame Illusion. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte auf einer Englandreise ein gewisser Herr Schmidt das Spiel, änderte ein wenig die Spielregeln und versuchte, das Spiel in Deutschland zu vermarkten. Zunächst nur mit mäßigem Erfolg gelang ihm im Ersten Weltkrieg dann der Durchbruch: Er schickte 3.000 Spiele in die Lazarette. Die Soldaten waren begeistert. Endlich Ablenkung vom elenden Kriegsalltag. Und das Ziel des Spiels sprach eines der tiefsten Bedürfnisse der traumatisierten Soldaten an: am Ende sicher nach Hause zu kommen. Begeistert schrieben die Soldaten ihren Familien von dem Brettspiel und der Siegeszug von Mensch ärgere Dich nicht nahm seinen Lauf. Warum kann der Spaßfaktor am Glücksspiel bei einigen Menschen manchmal in problematische Verhaltensweisen übergehen? Junge: Da sind wir beim Thema Spielertypen. Wir alle haben unterschiedliche Bedürfnisse und Motive, warum und wie wir spielen. Die einen suchen einfach nur Unterhaltung, gehen ins Casino, um gemeinsam mit Freunden eine gute Zeit zu haben. Andere suchen beim Glücksspiel die Spannung, den Kitzel und lassen sich voll auf den Reiz des Unvorhersehbaren ein. Hier kann es in Einzelfällen zu einem Realitätsverlust kommen und die Betroffenen glauben, sie könnten die eindeutig als Glücksspiel erkennbaren Angebote und den ihnen innewohnenden Zufall unter Kontrolle bekommen. Vor allem männliche Alleinspieler sind aufgrund dieser Illusion und Fehleinschätzung gefährdet. Ihnen fehlt die Sozialkontrolle von anderen, die auch mal sagen ‚Komm, es reicht, lass uns lieber aufhören‘. Genau um diesen vulnerablen, gefährdeten Personen zu helfen, kommen in unseren Spielbanken speziell geschulte Spielerschutzbeauftragte zum Einsatz … Junge: … und das ist wichtig und genau richtig so. Aber Gott sei Dank sind es ja eher Einzelfälle. Das Problem ist der inzwischen sehr große illegale Markt. Schauen Sie für uns doch zum Abschluss in die Zukunft: Wie wird oder sollte sich das Glücksspiel aus Sicht der Spielforschung entwickeln und damit auch der Spielerschutz? Aus Indien über Kriegslazarette ins deutsche Wohnzimmer: Aus dem Lebenskreuz des indischen Brettspiels Pachisi (linkes Bild) wurde das berühmte Spielfeld von Mensch ärgere Dich nicht. Junge: Glücksspiel gehört einfach zu unserer Kultur, so wie zu den Kulturen vor Jahrtausenden – und das wird sich auch nicht ändern. Klar, digitale und illegale Angebote boomen und damit wird es auch immer schwieriger, die Personen mit Glücksspielstörung zu identifizieren, um ihnen dann gezielt helfen zu können. Deshalb ist es wichtig, dass der Staat weiterhin klare, aber auch zu den Spielenden passende Regeln setzt und der Spielerschutz mit der digitalen Entwicklung Schritt hält. Aber ich bin Ludologe und kein Suchtexperte. Ich interessiere mich für die Spielmotivation der Menschen. Von daher fände ich es wichtig, dass bei aller notwendigen Regulierung der Spielspaß wieder stärker in den Fokus rückt. Die Monotonie im Spielangebot ist ein Risiko und führt dazu, dass viele Spieler sich nach Abwechslung und nach zu ihren Interessen passenderen Spielangeboten sehnen – und genau das macht illegale Angebote so attraktiv. Die deutsche Kriminalitätsstatistik der letzten Jahre und besonders aus 2023 spricht dazu Bände. Wir haben kürzlich eine Studie zur Spielmotivation und Spielfreude an Geldspielautomaten in Spielhallen veröffentlicht. Das Ergebnis ist eindeutig: 75 Prozent der Befragten fühlen sich durch die gesetzlichen Vorgaben in ihrer Spielfreude eingeschränkt, und 44 Prozent haben schon darüber nachgedacht, deshalb auf illegale Spielangebote auszuweichen. Meine Empfehlung: Ja, Glücksspiel muss weiterhin staatlich reguliert in einem geschützten Rahmen stattfinden. Aber es muss auch vielfältiger und spannender werden. Nur so verlieren illegale Angebote langfristig ihren Reiz und ein wirksamer Spielerschutz kann realisiert werden, weil die Spielenden nicht mehr in Hinterzimmern verschwinden. ERFOLGSREZEPT ERFOLGSREZEPT ERFOLGSREZEPT ERFOLGSREZEPT

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