Spielerschutz Tätigkeitsbericht 2025

22 23 Experten-Interview Experten-Interview Erfolgsrezept gegen illegale Angebote: „Legales Glücksspiel muss zu den Interessen der Spielenden passen.” Herr Professor Junge, es beschäftigen sich ja viele Wissenschaften mit dem Phänomen des Spielens – die Psychologie, Soziologie oder auch die Mathematik, Stichwort Wahrscheinlichkeitsrechnung. Was ist das Spezielle an der Ludologie? Junge: Wie Sie richtig sagen, ist die Spielwissenschaft bis heute sehr vielfältig und umfasst viele miteinander verbundene Wissenschaftsdisziplinen. Um diese verschiedenen Perspektiven auf das Spiel zu bündeln, habe ich 2014 das Institut für Ludologie (Anm. d. Red.: „ludus“ latein. das Spiel, „logos“ griech. die Lehre) in Berlin gegründet. Unter dem gemeinsamen Dach einer Gesellschaft für Spielwissenschaft, die sich aktuell in Gründung befindet, forschen mittlerweile mehr als 50 Professorinnen und Professoren von 30 Hochschulen interdisziplinär zum Thema Spielen. Besonders stolz bin ich auf unser Spielearchiv in Altenburg: Über 82.000 Brettspiele haben wir über die letzten Jahre gesammelt, archiviert und dokumentiert. Denn Spiele sind für mich genauso Kulturgut und Medienwerke wie Bücher. Aus Erkenntnissen der Spielwissenschaft lernen Warum spielt der Mensch eigentlich? Junge: Vom ersten Augenblick unseres Lebens lernen wir im Spiel, wie die Welt funktioniert, und zwar rund um den Globus nach dem gleichen Muster. Wir eignen uns im Spiel ganz vielfältige Kompetenzen an, wie Geschicklichkeit, Konfliktfähigkeit, Kreativität, Selbstvertrauen und auch den Umgang mit dem Schicksal, dem Unvorhergesehenen und mit dem Zufälligen. Und das alles, ohne dass es uns wirklich anstrengt. Woran liegt das? Junge: Weil – im wahrsten Sinne des Wortes – Emotionen im Spiel sind. Jedes Spiel lädt uns ein, in eine spielerische, künstliche Wirklichkeit einzutauchen. Diese Fantasiewelt schenkt uns Gefühle, die wir sonst im Alltag vielleicht nicht so erleben. Wir erobern fremde Länder, verdienen Millionen durch Straßenverkäufe, werden rausgeschmissen und brauchen nur eine Sechs zu würfeln und sind wieder Was reizt den Menschen am Glücksspiel? Wie lange setzt der Mensch schon auf den Zufall und steckt dahinter vielleicht mehr als nur Spaß und Spannung? Was bedeutet das für unser Spielangebot und den Spielerschutz? Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss: Professor Dr. Jens Junge ist Ludologe, zu Deutsch Spielwissenschaftler, und Gründer des Instituts für Ludologie in Berlin. im Spiel. Auch können wir uns Dinge besser merken, wenn wir sie auf spielerische, emotionale Art und Weise vermittelt bekommen. Unser Gehirn liebt spannende Geschichten, ein überraschendes Erlebnis oder ein emotionales Bild. Das bleibt im Gedächtnis. Nüchtern präsentierte Daten und Fakten sind schnell wieder vergessen. Und womit zieht das Glücksspiel die Menschen emotional in seinen Bann? Junge: Beim Glücksspiel erleben wir, dass wir mit unseren Fähigkeiten nicht alles unter Kontrolle haben. Es passieren Dinge, die wir uns nicht erklären können, oder anders gesagt: Eine höhere Kraft, oder nennen wir es Zufall oder Schicksal, bestimmt, ob ich gewinne oder nicht. Dieses Spannungsfeld reizt uns. Sportwetten beispielsweise funktionieren nur, weil selbst beim Fußball statistisch gesehen der Spielausgang neben den Aspekten wie Talent, Körperkraft und Geschick immer noch zu 42 Prozent am Zufall hängt. Diese Spannung macht den Menschen Spaß und so freuen sich alle, wenn Holstein Kiel im DFB-Pokal auch mal gegen Bayern München gewinnt. Der Pokal hat seine eigenen Gesetze – und ist ein Beispiel dafür, wie auch im Sport der glückliche Zufall eine wichtige Rolle einnimmt.“ Prof. Dr. Jens Junge » Er ist Spielforscher, Unternehmer und Comic-Enthusiast. » Der gebürtige Flensburger und promovierte Sozialwissenschaftler lehrt seit 2011 an der SRH Berlin University of Applied Sciences und gründete 2014 das Institut für Ludologie. » Vor seiner Forscherkarriere arbeitete er mehrere Jahre in der Spielebranche und gründete u. a. einen eigenen Comic-Verlag. » Als Unternehmer und Forscher verbindet er Wissenschaft mit Praxis, um die Kulturgüter Spiel und Comic zu pflegen und weiterzuentwickeln.

RkJQdWJsaXNoZXIy NjAxNTI=