Spielerschutz Tätigkeitsbericht 2019
        
 3. ZIELGRUPPEN- UND PHASENSPEZIFISCHER   SPIELERSCHUTZ   Der hohe Anteil von Problemspielern ohne glücksspiel- bezogene Veränderungsabsicht unterstreicht die Bedeu- tung zielgruppen- und phasenspezifischer Kommunikati- onsstrategien. Spielteilnehmer mit auffälligen Glücksspiel- verhaltensmerkmalen, die noch keine Veränderungsabsicht entwickeln konnten, profitieren möglicherweise von Infor- mationen und Botschaften, die zunächst die persönliche Risikowahrnehmung steigern und die Entwicklung einer glücksspielbezogenen Veränderungsabsicht fördern. Problemspieler, die bereits erste finanzielle, familiäre oder physische Folgen des Glücksspielverhaltens wahrnehmen, profitieren vor allem von selbstwirksamkeits- und kontroll- fördernden Besuchsvereinbarungen oder temporären Spielpausen als Maßnahmen des selektiven und indizierten Spielerschutzes (Noar, Benac, & Harris, 2007; Prochaska & Velicer 1997; Slater, 1999). Zudem gilt es, dieser Gruppe gezielte Angebote der Suchtkrankenhilfe (Beratungs- stellen, Internetseiten, Hotlines, Selbsthilfegruppen) nicht nur zu nennen, sondern diese auch inhaltlich zu erläutern mit dem Ziel, die Hemmschwelle für deren Nutzung zu minimieren. Der expandierende Glücksspielmarkt in Deutschland, der ab Juli 2021 auch mit einer weitreichenden Liberalisierung des Online-Glücksspielmarktes einhergehen wird, unter- streicht den Bedarf nach evidenzbasierten Spielerschutz- maßnahmen. Vor dem Hintergrund der bislang limitierten Forschungslage zum Spielerschutz stellt die vorliegende Sekundäranalyse von anonymen Gastbefragungen in 12 staatlich konzessionierten Spielbanken trotz einer nicht- repräsentativen Stichprobe einen Beitrag zu den Effekten der gemäß GlüStV implementierten Spielerschutzmaß- nahmen in Spielbanken dar. 2. AUTOMATISIERTER SPIELERSCHUTZ  Besuchshäufigkeit, Einsatzverhalten und eine gesteigerte Risikobereitschaft sind signifikante Prädiktoren für Prob- lemspielverhalten und stellen für den Spielerschutz Erkennungsmerkmale dar. Die an den Gastbefragungen teilnehmenden Spielbanken setzen seit vielen Jahren hohe Spielerschutzstandards um und stellen dafür personelle Ressourcen bereit. Dennoch zeigen die Befunde, dass die Mehrheit der identifizierten Risiko- und Problemspieler von den präventions- und interventionsorientierten Spielerschutzmaßnahmen derzeit nicht erreicht wird. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist in Deutschland die Implementierung standardisierter und anhand von Verhaltensdaten automatisierter Interven- tionen ausbaufähig. Verschiedene internationale Studien unterstreichen die Wirksamkeit automatisierter Spieler- schutzmaßnahmen (Auer, Littler & Griffiths, 2015; Williams, 2012: 68-69). Dazu zählen beispielsweise die Einführung personengebundener Spielerkarten oder Pop-Up-Messages mit personalisiertem Feedback zum individuellen Spielver- halten im Automatenspiel. Auch die Nutzung der Rezeptions- systeme in Spielbanken, die einen signifikanten Anstieg oder eine signifikante Veränderung der durchschnittlichen Besuchshäufigkeit anzeigen und automatisch eine inter- ventionsorientierte Spielerschutzmaßnahme – z. B. ein Gastkontaktgespräch – initiieren, unterstützen die Spieler- schutzbeauftragten in Spielbanken und tragen dazu bei, die Reichweiten selektiver und indizierter Spielerschutz- maßnahmen weiter zu erhöhen. 1. PROAKTIVER SPIELERSCHUTZ    Gäste in Spielbanken sollten aktiver als bislang auf das Thema problematisches Glücksspielverhalten und den verantwortungsvollen Umgang mit dem Glücksspiel auf- merksam gemacht werden. Vor dem Hintergrund der identi- fizierten Rezeptionsbarrieren erscheint es zielführend, den Schwerpunkt der Spielerschutzaktivitäten auf die Maßnah- men des selektiven und indizierten Spielerschutzes zu legen (vgl. auch Braun et al., 2014). Zentrale Voraussetzung für die Umsetzung eines pro- aktiven selektiven und indizierten Spielerschutzes ist vor allem eine Bereitstellung ausreichender personeller Ressourcen. Zudem stellt die aktive Ansprache auffälliger Problemspieler hohe Anforderungen an die Kommunikations- kompetenz der Mitarbeiter in den Spielbanken und ist häufig mit großer Unsicherheit verbunden (vgl. auch Hing & Nuske, 2011). Eine gezielte und fortlaufende Vermittlung von Kommunikationsstrategien für die Ansprache be- troffener Gäste trägt dazu bei, die Handlungskompetenz der Mitarbeiter im Umgang mit auffälligen Spielbankgästen weiter zu steigern und die Anzahl der identifizierten und angesprochenen Risiko- und Problemspieler zu erhöhen. 40 G A S T B E I T R A G 41 G A S T B E I T R A G Aus gesundheitswissenschaftlicher Perspektive ergeben sich daraus folgende Handlungsperspektiven für den Spielerschutz: *Die zusammenfassende Auswertung der Gastbefragungen im Rahmen einer Sekun- däranalyse von Qualitätssicherungsdaten erfolgte im Rahmen des Dissertationsvor- habens der Autorin. Die Entwicklung des Gastfragebogens und das zugrundeliegende Evaluierungskonzept wurden unabhängig von den beteiligten Spielbanken als Teil der Dissertation entwickelt. Auch auf die Auswertung der Daten sowie Interpretation und Diskussion der Befunde hatten die Spielbankengesellschaften keinen Einfluss. Die beteiligten Spielbanken haben die vorliegende Datenerhebung nicht nur organisatorisch unterstützt, sondern auch einer uneingeschränkten Veröffentlichung der Ergebnisse zugestimmt. Publikation in Vorbereitung: Quack, A. (2020). Spielerschutz im staatlichen Glücksspielwesen – Was kommt beim Verbraucher an? Entwicklung eines theorie- geleiteten Erhebungsinstrumentes zur gesundheitswissen- schaftlichen Analyse der Wahrnehmung und Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen für den Spielerschutz am Beispiel staatlich konzessionierter Spielbanken. Peter Lang Verlag, 2020. „Automatisierter Spielerschutz: Die Einführung von verhaltens- datenbasierten, automatisierten Spielerschutz-Interventionen in Spielbanken können dazu beitra- gen, Problemspieler besser zu erreichen sowie Risikobewusst- sein und Veränderungsabsicht zu fördern.“
        
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